Systemisches Coaching einfach erklärt
- Yvonne Jesse
- 6. Mai 2022
- 3 Min. Lesezeit
Als lösungsorientierte Form der Beratung ist Coaching den meisten Menschen ein Begriff. Doch was genau steckt hinter systemischem Coaching?
Systemisches Coaching ist Coaching mit systemischer Grundhaltung des Coaches. Diese Haltung beinhaltet unter anderem diese Grundsätze:
Im systemischen Coaching gibt es kein “richtig” oder “falsch”
Hinter dieser Annahme steckt eine wichtige Erkenntnis, nämlich dass es die Kategorien “richtig” oder “falsch” nicht gibt, sondern dass jeder Mensch in seiner / ihrer eigenen Konstruktion von Wirklichkeit lebt, denkt und handelt. Mit diesem Denken bewegen wir uns im systemischen Coaching weg von klassischen Schwarz/Weiß- oder Schubladendenken und ermöglichen eine Betrachtung, die frei von Bewertung ist und den Raum für neue Lösungen und Perspektiven öffnet. Somit erarbeiten Klient*innen innerhalb eines systemischen Coachings Lösungsansätze in einem wertfreien Raum.
Im systemischen Coaching gilt - “alles ist mit allem verbunden”
Einfache Ursache-Wirkung Mechanismen bzw. “Wenn X, dann Y” gibt es im systemischen Coaching nicht. Als systemischer Coach betrachtet man deshalb Klient*innen innerhalb ihres Systems und bezieht die Wechselwirkungen der einzelnen Systemmitglieder mit in die Coachingarbeit ein. Systeme können zum Beispiel sein:
das Team
die Familie
der Freundeskreis
das Unternehmen
Im systemischen Denken steht demnach alles mit allem in Verbindung und jede Veränderung, die im System angestoßen wird, hat einen Einfluss auf das gesamte System des Klienten bzw. der Klientin.

Systeme können nicht direkt verändert, sondern nur irritiert werden
Per se kann ein System nicht auf eine bestimmte Art verändert werden. Aber es lässt sich durch Impulse irritieren, wodurch es sich neu ausrichtet. Um sich das besser vorstellen zu können, hier ein Beispiel:
Ein Klient erarbeitet in einem Coaching eine neue Strategie, um in Zukunft anders als bisher auf Konflikte im Team zu reagieren. Durch die Verhaltensänderung des Klienten wird das System “Team” irritiert und die Kolleg*innen werden sehr wahrscheinlich auch ihr eigenes Konfliktverhalten an die neuen Verhaltensweisen des Klienten anpassen. Das System Team richtet sich also durch die “Irritation” (= neues Verhalten des Klienten) neu aus, jedoch lässt sich nicht vorhersagen wie genau es das tut. Das heißt, durch die Verhaltensänderung des Klienten wird eine Veränderung im System angestoßen, kann aber nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.
Das Gefühl eine Wahl zu haben
Durch die systemische Grundhaltung ergeben sich im Coaching sehr viele neue Perspektiven für Klient*innen. Die neuen Perspektiven eröffnen einen Raum an Wahlmöglichkeiten für neue Denk- und Verhaltensweisen. Daraus ergeben sich mehr Handlungsmöglichkeiten und Klient*innen können selbstbestimmt wählen, wie sie bestimmte Themen und Situationen betrachten, wie sie ihr eigenes Handeln bestimmen und welche Entscheidungen sie treffen.

Wie genau arbeitet ein systemischer Coach?
Neben der oben beschriebenen Grundhaltung, welche die Arbeit des Coaches natürlich maßgeblich bestimmt, gibt es systemische Werkzeuge, Fragetechniken und Methoden, wie z.B. das zirkuläre Fragen und die Aufstellungsarbeit.
Was ist zirkuläres Fragen?
Durch zirkuläres Fragen werden neue Perspektiven über das eigene Denken und Handeln aus der Perspektive der anderen Systemmitglieder gewonnen. Die Wechselwirkungen bzw. Beziehungen innerhalb des Systems werden dadurch sichtbarer und Klient*innen erkennen wie andere Systemmitglieder vermeintlich auf eine Handlung reagieren würden.
Beispiel:
“Was denkst Du, was Deine Kollegin darüber denken würde?”
“Was glaubst Du, erwartet Dein Chef von Dir?”
“Woran würde Dein Kollege merken, dass Du Dein Ziel erreicht hast?”
Was ist Aufstellungsarbeit?
Bei der Aufstellungsarbeit werden Repräsentanten der einzelnen Systemmitglieder positioniert, also aufgestellt und miteinander in Beziehung gesetzt. Die Aufstellung hat das Ziel, das System und die Beziehungen innerhalb des Systems zu visualisieren und räumlich darzustellen. Repräsentanten können tatsächliche Personen oder aber Figuren auf einem Systembrett sein. Betrachtet wird dann z.B. die Nähe der Repräsentant zueinander oder die Blickrichtung und eventuelle Bündnisse zwischen den Präsenten. Repräsentanten müssen nicht immer eine Person darstellen, sondern können auch ein anderes, abstraktes Element innerhalb eines Systems repräsentieren, beispielsweise ein Projekt oder eine Deadline.
Ein Beispiel:
Thema: Ein IT Projektleiter hat 4 Mitarbeiter in seinem Team. Er ist dafür verantwortlich, dass sein Team ein Projekt bis zum Ende des Monats abgeschlossen hat und fühlt sich durch die Erwartungshaltung seiner Chefin gestresst.
Im Coaching stellt der IT Projektleiter die für ihn herausfordernde Situation mit folgenden Repräsentanten auf
Jeweils ein Repräsentant für seine 4 Mitarbeiter
Ein Repräsentant für ihn selbst
Ein Repräsentant für seine Chefin
Ein Repräsentant für das Projekt

Durch die Visualisierung seines Systems mittels der Aufstellungsarbeit wird der Klient, mit Hilfe des systemischen Coaches, neue Erkenntnisse, Perspektiven und Lösungen für herausfordernde Situation erarbeiten können.
Ist systemisches Coaching also besser als “normales” Coaching?
Ganz nach den systemischen Grundprinzipien lautet die Antwort auf diese Frage: Systemisches Coaching ist weder besser noch schlechter als “normales” Coaching, falls es überhaupt so etwas wie normales Coaching gibt, es ist einfach anders. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass im systemischen Coaching ganzheitlicher an den Themen und Anliegen der Klient*innen gearbeitet wird und dadurch nachhaltige Veränderungen möglich werden. Hierfür ist eine systemische Grundhaltung des Coaches sogar noch wichtiger als das Anwenden von systemischen Methoden oder Tools.
Bist Du neugierig geworden und hast Lust ein bestimmtes Thema, Anliegen oder Problem mal mit einem systemischen Coach zu besprechen? Dann melde Dich gerne für ein unverbindliches Kennenlernen!
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